P R E S S E E R K L Ä R U N G
Totfund von drei jungen Rotmilanen (Milvus milvus)
im Waldgebiet der Landesforsten bei Daldorf/Blunkerbach
vom 20. Juni 2018
Daldorf – Auf dem Gemeindegebiet kam es am Abend des 20.06.2018 zu einem grauenvollen Fund. Zwei junge Rotmilane lagen tot unter ihrem Horst, ein dritter Jungvogel lebte noch, verstarb aber kurze Zeit später auf dem eilig eingeleiteten Weg in die Tierklinik. Alle drei toten Tiere weisen Symptome einer Vergiftung auf.
Eine Woche zuvor fehlte auf einem zweiten Rotmilan-Horst in der Region bereits sowohl von zwei Nestlingen als auch von den Altvögeln jede Spur.
Fundsituation direkt unter dem Horstbaum am 20.06 2018
(Foto: N.Kuhnert)Neuer Text
Zur Vorgeschichte
Seit einem Jahr kartieren wir die Blunkerbach-Niederung auf Vogelvorkommen. Annähernd 2000 Vogelbeobachtungen konnten innerhalb eines Jahres in die Datenbank des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten (DDA) e.V. auf www.ornitho.de eingepflegt werden. Ausgangspunkt dieses Vogelerfassungs-Projektes war die Ausweisung dieser Niederung und der direkt angrenzenden Flächen in Daldorf als Windkraftvorranggebiete durch das Landesamt. Laut DDA gab es bislang zu diesem Gebiet keine relevante ornithologische Datenlage, sodass sich die Naturschützer mit Unterstützung eines Spezialisten ambitioniert an die Aufgabe machten, dies aufzuholen.
Heute ist erfasst, dass in der Blunkerbach-Niederung und in den sie umgebenden Waldgebieten über 90 unterschiedliche Vogelarten existieren, darunter Kiebitze, Kraniche, Feldlerchen, Weißstorch, Braun- und Schwarzkehlchen, Wiesenpieper, der Große Brachvogel, Schnepfen und viele weitere Arten, die dieses besondere Gebiet als Nahrungs- und Bruthabitat oder als Rastplatz auf dem Durchzug nutzen. Auch im Winter besuchen tausende Gänse aus dem hohen Norden die Niederung, neben Graugänsen sind dies auch Blässgänse, Weißwangengänse und die sonst selten anzutreffenden Tundrasaatgänse. Darüber hinaus liegt die Blunkerbach-Niederung als Lebensraumkorridor und Verbindungsfläche inmitten dreier Schutzgebiete, dem FFH Schutzgebiet Tarbeker Moor, dem Trentmoor und der Hamdorfer Binnendüne und ist über die Wildbrücke mit dem Kiebitzholmer Moor auf der anderen Seite der Autobahn verbunden.
Die Blunkerbach-Niederung ist eine Perle unter den schleswig-holsteinischen Wiesenniederungen und sollte wegen ihrer großen Bedeutung auch für die Artenvielfalt der Region im Grunde längst den Status eines Naturschutzgebiets haben. Warum dies nicht schon längst eingerichtet wurde, ist ein großes Versäumnis.
Besonders wertvoll ist insbesondere auch das offene Dauergrünland, welches als idealer Lebensraum zahlreichen Vogelarten dient. Für viele gefährdete Wiesenvögel, besonders aber auch für den Rotmilan, die Rohrweihe und den Mäusebussard ist diese etwa 150 ha große Niederung als Nahrungshabitat besonders geeignet. Dementsprechend haben die Mitglieder der Naturschutzgruppe viel Zeit und Kosten aufgewendet, um Beobachtungen zu machen, die sie mithilfe von Kameras, GPS-Technik und Spektiven dokumentieren, um so die Besonderheit dieser Flächen herauszustellen und gerichtsfest zu belegen.
Inzwischen ist es der Initiative gelungen, das Interesse einer Reihe versierter Ornithologen unterschiedlicher Institutionen zu gewinnen und sich ihrer fachlichen Unterstützung zu versichern. Diese Verbindungen erwiesen sich als besonders wertvoll, als sich am 20.6. das Drama ereignete.
Was genau passierte, kann nur noch anhand der Faktenlage rekonstruiert werden
Die Horststandorte von Mäusebussard und Rotmilanen in der Region waren von der Naturschutzgruppe bewusst nicht veröffentlicht worden da dies aufgrund der in anderen Gebieten bekannt gewordenen Greifvogelverfolgung geboten schien. Allzu häufig wird geschützten Greifvögeln nachgestellt, wenn Horststandorte insbesondere vom Rotmilan, mit ihrem 1,5 Km Schutzradius den Planungsvorhaben von Begünstigten der Windkraftenergie im Wege stehen. Dennoch mussten die sensiblen Informationen an die zuständigen Fachstellen übermittelt werden, damit die Landesplanung SH diese bekannt gemachten Standorte für ihre weitere Ausweisung von Windenergieflächen berücksichtigen kann. Diese Bekanntgabe der sensiblen Daten stellte sich als ein dramatischer Wendepunkt heraus.
Versuch einer Rekonstruktion:
· Am 30.04.2018 entscheidet sich die Naturschutzgruppe zu einer ersten offiziellen Meldung von zwei Rotmilan-Brutstandorten mit GPS-Koordinaten und Bildern der brütenden Vögel an die Vogelwarte des Landesamts (LLUR) und zeitgleich an die Untere Naturschutzbehörde Segeberg.
· Parallel findet eine Eintragung in die Onlinedatenbank ornitho.de in einem geschützten Modus statt, die nur von ausgewiesenen Fachleuten eingesehen werden kann.
· Am 07.06.2018 besuchen die Rotmilan-Experten die aktiven Rotmilanhorste. Zu diesem Zeitpunkt können in einem Horst Jungvögel entdeckt werden, am anderen nicht einsehbaren Horst weisen typische Spuren auf einen vitalen Brutplatz hin.
· Am 12.06.2018 teilt die Vogelwarte des LLUR die sensiblen Daten der Standorte der zuständigen Revierförsterei der Landesforsten mit, damit die Försterei die Bäume im Rahmen ihrer Bewirtschaftungsaufgabe nicht versehentlich antastet. Die Försterei nimmt daraufhin die Horste in Augenschein und pflegt die Daten in ihr internes System ein.
· Am 17.6. wird das Verschwinden der Elterntiere an einem der Horste bemerkt. Um sich zu vergewissern, intensiviert die Naturschutzgruppe die Beobachtung und stellt schließlich den Verlust der beiden Jungtiere fest, zunächst ohne die Jungtiere am Boden zu finden. Das Brutvorhaben scheint aufgegeben zu sein. In einer ersten Deutung wird der Verlust der Jungvögel durch natürliche Feinde wie Habicht oder Uhu erwogen und die Abwesenheit der Elterntiere als natürliche Reaktion auf den Verlust der Brut gewertet.
· Am 20.Juni 2018 gegen 19.30 Uhr findet ein Mitglied der Naturschutzgruppe auf einem Kontrollgang zwei tote und einen noch schwach lebenden Jungvogel direkt unterhalb des anderen Horstbaumes und ruft die Unterzeichner herbei. Eine Katastrophe zeichnet sich ab. Die eilig herbeigerufene Gruppe der Naturschützer ist fassungslos angesichts dieser Situation, denn die Lage vor Ort weist auf eine Vergiftung der Tiere hin.
· Ein noch halblebend am Boden liegender Nestling wird umgehend nach Wasbek in die Tierklinik Dr. Frahm gebracht. Auf dem Weg dorthin verendet auch dieser Vogel und es kann nur noch der Tod dieses dritten, fast erwachsenen Jungvogels festgestellt werden. Eine erste in Augenscheinnahme durch Dr. Frahm weist auch hier auf typische Vergiftungssymptome hin:
o Erwürgte Futterreste im Schlund und Schnabel weisen auf Versuche des Vogels hin, die vergiftete Nahrung wieder herauszuwürgen.
o verkrampfte Fänge können ein Resultat der Wirksamkeit des Giftes sein
o ein ansonsten guter Ernährungszustand der Jungvögel spricht für eine zuvor vitale und solide Ernährungssituation der Jungvögel
o augenscheinlich haben sie keine äußeren Verletzungen, die auf einen Kampf zwischen verschiedenen Raubvogelarten hindeuten könnten
o die Rückenlage der toten Vögel auf dem Boden verweist auf die direkte Wirksamkeit eines Giftes noch während der Nahrungsaufnahme. Die vergifteten Vögel sterben sofort und fallen einfach rücklings zu Boden.
o mehrere tote Vögel auf engem Radius direkt unterhalb des Horstes deuten ebenfalls auf eine Vergiftung der Jungtiere hin, da die Verteilung bei der Fütterung an die Jungtiere direkt und nacheinander geschieht.Neuer Text
· Noch in der Nacht des 20. Juni erstattet die Naturschutzgruppe „Strafanzeige gegen Unbekannt“ bei der Polizeistation Bad Segeberg.
· Am 22.06. treffen sich zur Inspektion an den beiden Horsten zwei Vertreter der Naturschützer mit dem Leiter der Vogelwarte Dr. J. Kieckbusch und dem Revierförster, um ggf. verendete Tiere mithilfe eines versierten Baumkletterers aus den Horsten zu entnehmen, damit sich keine weiteren Tiere von möglicherweise im Nest liegenden und ebenfalls vergifteten Kadavern der Altvögel erneut vergiften.
Dabei wird überraschend erkennbar, dass ein vierter Jungvogel im Nest verblieben war und überlebt hat. Von einer Entnahme beschließt die Gruppe vorerst abzusehen, um den möglicherweise noch eintreffenden Elterntieren die Ernährung des letzten Jungvogels zu ermöglichen.
· Weitere Stunden der Beobachtung durch die Naturschutzgruppe folgen; nach 10 Std. Beobachtung ohne Sichtung eines Elterntiers entscheiden die Naturschützer am 24.06.18, den Leiter der Vogelwarte um Entnahmeerlaubnis zu bitten.
· Der in der Zwischenzeit bereits erheblich abgemagerte Vogel wird mithilfe eines versierten Baumkletterers aus dem Nest geholt und anschließen von der Naturschutzgruppe in die Greifvogelpflegestation des Wildparks Eekholt verbracht.
Ein versierter Baumkletterer entnimmt den verbliebenen Greifvogel aus dem Nest in ca. 30 m Höhe, um ihn in der Greifvogelpflegestation des Wildparks Eekholt weiter zu ernähren.
Foto: Lars Lorenzen
Die Indizien sprechen für eine gezielte oder zumindest in Kauf genommene Vergiftung. Der vierte Jungvogel hat mit großer Sicherheit nur überlebt, weil er von dem vergifteten Futter nichts mehr abbekommen hatte. Das vollständige Verschwinden der Elterntiere, ohne die weitere Pflege des letzten Nestlings, lässt vermuten, dass auch die beiden Elterntiere von der vergifteten Nahrung zu sich genommen haben und ebenfalls daran verendet sind.
Die Gesamtlage lässt rückblickend nun auch die traurige Vermutung zu, dass das Verschwinden der Brut sowie der Altvögel des ersten Horstes ebenfalls nicht auf natürliche Weise geschah. Vergiftete Vögel werden in den seltensten Fällen gefunden, denn die verendeten Tiere werden auf dem Boden liegend in der Regel schnell vom Fuchs entdeckt und in seinen Bau getragen. Die Spuren der Vergiftung sind damit verschwunden.
So ist es möglich, dass nach dieser noch toxikologisch nachzuweisenden Vergiftung insgesamt 9 Rotmilane getötet sind.
Doch drei der Rotmilane der Blunkerbach-Niederung konnten gefunden und sichergestellt werden und wurden einem renommierten Untersuchungslabor in Berlin überstellt, sodass in wenigen Wochen die durch vielfältige Indizien angenommene Vergiftung auch medizinisch nachgewiesen werden kann.
Zwei zur gekühlten Versendung, zum Institut für Zoo- und Wildtierforschung nach Berlin, vorbereitete Rotmilane.
(Foto: N.Kuhnert)
Vage Antworten auf diesen perfiden Angriff auf den Lebensraum an der Blunkerbach-Niederung
Wenn Naturschützer Daten sammeln, stößt dies nicht nur auf Gegenliebe, denn diese Daten sind je nach Güte durchaus in der Lage, industrielle Großprojekte zu beeinflussen. Für die Planung von Windvorranggebieten in Schleswig-Holstein sind insbesondere die Horste eines Rotmilans durchaus ein ernst zu nehmendes Problem, denn Rotmilane zeigen gegenüber den Windkraftanlagen kein „Meideverhalten“ und werden häufig zu Schlagopfern. Ca 60 % der gesamten Rotmilan-Population weltweit brütet in Deutschland. Daher rührt sein strenger Schutzstatus und die große Verantwortung Deutschlands für den Schutz dieses besonders wertvollen Vogels. Investoren und Begünstigte der Windkraftindustrie haben verschiedensten Pressemitteilungen zufolge immer wieder einen ernsten Konflikt mit der Anwesenheit dieser Vögel, weil in einem Radius von 1,5 km um die Horste herum keine Windkraftanlagen gebaut werden dürfen. So hätten die beiden betroffenen Horste eine Windkraftvorrangfläche in der Blunkerbach-Niederung und auch eine Fläche auf dem Daldorfer Geestrücken ernstlich tangiert.
Auch Geflügelfreunde, bzw. Geflügelzüchter sind nach Erfahrung von Fachleuten oftmals feindlich gegenüber Greifvögeln eingestellt. Dies ist besonders beim Rotmilan unangebracht, da er in den Blunker Bachwiesen bereits ein sehr gutes Nahrungshabitat vorfindet, wie sich daran zeigt, dass in einem Horst 2 und in dem anderen Horst 4 Jungtiere aufgezogen wurden.
Nach Ansicht der Erfassungs- und Dokumentationsstelle Greifvogelverfolgung und Artenschutzkriminalität (EDGAR) werden auch immer wieder Jäger als Verfolger von Greifvögeln genannt. Es scheint bundesweit unter Jägern zuweilen immer noch ein uraltes Vorurteil gegen Greifvögel zu geben. Hier sind sowohl die Jagdausbilder wie auch die aufgeklärten Jäger und Jägerinnen gefragt, in ihren Gemeinschaften für eine respektvolle Haltung gegenüber den Greifvögeln zu werben und diese uralten Vorbehalte endgültig zu überwinden. In ein gesundes Ökosystem gehören Greifvögel genauso wie das Wild und der Wald.
Dem Täter drohen bis zu 5 Jahren Haft
Alle in Deutschland heimischen Greifvogel- und Eulenarten unterliegen dem Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes. Sie dürfen nicht getötet, gefangen oder auf andere Art und Weise verfolgt werden. Sie gehören zu den streng geschützten Vogelarten im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 13- 14 BNatSchG in Verbindung mit Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97. Für wildlebende Exemplare bestehen weitreichende gesetzliche Fang-, Tötungs-, Stör-, Besitz- und Vermarktungsverbote.
Bei
streng geschützten
Arten wie dem Rotmilan stellt jede Art der Nachstellung (etwa durch das Aufstellen von Fangeinrichtungen und jede Art der Tötung durch Abschuss oder Gift) gemäß § 71 Abs. 2 in Verbindung mit § 69 Abs. 2 Nr. 1, § 44 Abs. 1 BNatSchG eine Straftat dar, die mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann.
Offene Fragen
Dieser Fall zeigt ganz aktuell, wie sensibel Daten über die Standorte von aktiv bebrüteten Horsten sind. Immer wieder kommt es in Deutschland im Rahmen der Ausweisungen von Windeignungsgebieten zu Greifvogelverfolgungen. Hier stehen in der Regel monetäre Interessen im Vordergrund. Aber auch Tauben- und Geflügelzüchter und Jäger treten immer wieder als Tätergruppen in Erscheinung.
Die Naturschutzinitiative fragt:
· Warum wurden die Jungvögel so unmittelbar nach der Übermittlung der Daten an die Landesforsten S.H. tot aufgefunden? Was passierte mit den Horstmeldedaten nach der Information der Landesforsten S.H. durch das LLUR?
· Wer hat Zugriff auf diese Daten?
· Was unternimmt die Landesforsten, um an die Blunkerbachwiesen angrenzende Waldgebiete von der Bewirtschaftung auszunehmen um Ruhe- und Nistbereiche für Großvögel zu ermöglichen?
· Wie stellt die Landesforsten sicher, dass die von dem LLUR übermittelten Daten zukünftig tatsächlich sicher sind und nicht einfach an feindlich Gesinnte gelangen können?
· Welche Personen in dieser Region haben ein Interesse an der Tötung von Greifvögeln?
Zeugenaufruf
Wer im Zeitraum 18.-20.Juni 2018 im Bereich Daldorf, Alt Erfrade, Pettluis, Brandsmühle, Blunkerbach-Niederung verdächtige Beobachtungen gemacht hat oder andere sachdienliche Hinweise zur Aufklärung geben kann, wende sich bitte an die Polizeistation Bad Segeberg, Telefon 04551 8840. Hinweise, die zur Ergreifung der/des Täters führen, werden mit bis zu 1000,- Euro belohnt.
Es soll weiterhin ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass präparierte Giftköder auch Hunde und Katzen schwer verletzen oder gar töten können. Bitte achten Sie daher auch auf in der Natur herumliegende tote Tiere (z.B. Tauben, Hühnervögel, etc.) oder bspw. Fleischreste, die auch von Haushunden oder Katzen aufgenommen werden können. Die vergifteten Köder sollten gemeldet und nur mit Handschuhen eingesammelt werden.
Wir hoffen auf sachdienliche Hinweise aus der Bevölkerung.
Naturschutzgemeinschaft Blunkerbach: Nils Kuhnert-S, Lars Lorenzen